Die Presse über Bernhard Köhler

 


Reutlinger General-Anzeiger, Januar 1994

Beruhigend für Rindvieh und Mensch

In seinem Walddorfer Keller baut Bernhard Köhler Alphörner und geht damit auf Tournee

Von Birgit Conzelmann


Walddorfhäslach. (GEA) Seine Ausmaße sind imposant. Seine Wirkung ist es auch: Rindviecher auf der Weide lauschen ihm ebenso hingerissen wie moderne Menschen im Konzertsaal. Ein Erlebnis sei es gar für denjenigen, der dem Instrument die beruhigend tieftönenden Klänge zu entlocken weiß: »Alphorn zu spielen tut einfach gut«, sagt Bernhard Köhler, der dies nach Feierabend gern genießt. Und zwar auf Marke Eigenbau: Jede Menge der Holzblasinstrumente hat Köhler in seinem Walddorfhäslacher Keller nun schon gehobelt und geleimt, ist mit ihnen auch schon in die weite Welt gereist. Die sechste große Tournee seines Ensembles geht im Sommer nach Kanada.

Ohne Musik kann Bernhard Köhler wohl nicht sein. Seit zwanzig Jahren als Leiter der Musikschule Filderstadt auch an den Wochenenden viel in Konzertsälen unterwegs und als Posaunenlehrer unter der Woche stets bemüht, den Schülern den rechten Ton beizubringen, hat er auch noch ein Hobby gefunden, das Passion mit Profession verbindet - und zu zahlreichen Auftritten führt.

Die Engagements mit dem Alphorn sind allerdings als Nebenprodukt Köhlerscher Entspannungsübungen zu sehen: »Die einen spielen Schach, die anderen leisten sich ein Pferd, und ich baue eben Alphörner«, sagt der 55jährige. Mit handwerklicher Arbeit und dem Werkstoff Holz finde er den Ausgleich vom Alltagsstreß. Und darüber hinaus jede Menge neue Freunde: Bei den Tourneen seines Bläserensembles durch die USA etwa, wo die Alphörner hauptsächlich in Kirchen ertönen, ist die Unterbringung stets privat, aus den Kontakten mit den Gastgebern werden regelrechte Beziehungen, was wiederum in Besuchsstreß ausarten kann.

An Profit hat die Truppe, die neben Posaunen und sperrigen Alphörnern stets auch die schwäbische Tracht im Gepäck hat, ja auch kein Interesse. Dafür aber jede Menge Spaß an der Sache. Für Köhler unvergessen etwa sind die älteren amerikanischen Damen, die sich mit zittrigen Fingern den Lippenstift vom Mund wischten, um einmal im Leben durchs Alphorn zu blasen - unter allgemeinem Bekunden, wie »fascinating« das sei. Fasziniert sind wohl auch die Mitglieder einer Kirche in Chicago, wo seit neuestem ein Geschenk aus Walddorfhäslach den Gottesdiensten das gewisse Etwas verleiht: ein Alphorn natürlich, Köhlersche Handarbeit.

Erstaunlich, wie's kommen kann. Als Bernhard Köhler zusammen mit seinem Freund am Ende eines Schlachtfestes im Welzheimer Wald vor zwanzig Jahren eine an der Wurzel krumm gewachsene Fichte fällte, da stand mehr die Abenteuerlust im Vordergrund, daraus ein Alphorn zu schnitzen. Die Experimentierfreude blieb nicht ohne Folgen - über dreißig Nachfolger hat der Prototyp zwischenzeitlich erhalten.

Geduld, Schnitzwerkzeug, Fräse, Drechselmaschine und hundert Stunden Zeit braucht Köhler, um aus einem simplen Fichtenstamm ein 4,05 Meter langes in Es-Dur tönendes Holzblasinstrument zu bauen, dem er ein unverwechselbares Merkmal verpaßt: einen aus Hainbuche und Zwetschgenholz gedrechselten Becherrand.

Doch Schönheit ist das eine, Sorgfalt das andere. Nur wenn die zwei später zusammen zu leimenden Teile sauber ausgehöhlt sind, kann der verhangen Klang des Alphorns auch zur Geltung kommen. Vorausgesetzt, es hat einen Bläser mit »einer guten Kuttel«, sagt Köhler und meint gutes Gehör, gute Kondition, sicheren Ansatz und Gefühl für Melodiebögen: »Rausgequetschte Töne sind halt noch lange keine Musik«.

Musik aber gebe es wunderbare für Alphörner, konzertant, zusammen mit Kammerensembles, Orchester oder gar gemischten Chören. Besonders gut passen die seit Jahrtausenden bekannten Instrumenten nach Erfahrung Köhlers, der zu Hause auch im Kellergang übt, in Kirchen und große Säle - kaum allerdings ins Festzelt. Da sei zu große Unruhe und das behäbige Alphorn »nicht fetzig genug«. Wichtig ist nämlich der Raumklang und deshalb braucht es Stille und viel Platz. »Traumhaft ist es in den Bergen«.

Also doch, denkt unsereiner unwissend, Alphörner lediglich mit stämmigen Männern in Krachledernen auf Almweiden in Verbindung bringend. Kaum vorstellbar, daß hierzulande der Akademiker oder der Handwerksmeister, die Hausfrau oder der Schüler in der Wohnung zwischen Couch und Fernsehgerät oder im Garten zwischen Beerensträuchern ins meterlange Horn blasen: Ist aber so. 250 Alphornbläser gibt es allein in Baden-Württemberg, weiß Köhler, der die jährlichen Treffen koordiniert und zumindest am Schönbuchrand schon so manchen aufhorchen ließ und in Sachen Alphorn die Augen geöffnet haben mag. Früher beschallt er nämlich sonntagmorgens schon mal die Walddorfer mit Wohltönendem aus dem heimischen Garten - zusammen mit seinen Kindern im Quartett.