Die ursprüngliche Bedeutung
des Alphorns


In Zeiten ohne Funk, Telefon und elektronische Verstärker mußte zur Benachrichtigung über weite Distanzen die Stimme und, wenn das nicht reichte, ein Signal-Instrument eingesetzt werden. Im Militär nutzte man hölzerne oder besser aus Metall gefertigte trompetenähnliche Instrumente. Schon Mose ließ für Kriegszwecke silberne Trompeten anfertigen, wie sie wohl schon lange vorher beim ägyptischen Militär benutzt wurden. Also waren unter Moses Volk auch Instrumentenmacher. Aus der Bibel erfahren wir, daß mit dem überraschenden und schrecklichen Geräusch der Blasinstrumente Feinde überrascht und überwältigt wurden. Sie kamen zum Beispiel bei der Einnahme der Stadt Jericho zum Einsatz. Zur Einweihung des israelitischen Tempels wurde aber sicherlich aus Freude und Erbauung und zum Lob Gottes geblasen. Der biblische Bericht schildert da ein gewaltiges musikalisches Ereignis.

Bezug zum alten Rom

Auch die Römer hatten in ihren Kampfeinheiten die Tuba- oder Tubenspieler, dem Offiziersrang zuzuordnende Musiker. Der Ruf der Tuben hatte das Kampfgetümmel zu übertönen. Jeder Soldat mußte so viel Musikalität besitzen, um die Signal-Befehle zu verstehen. Übrigens fanden sich die römischen Tubenspieler mit ihren Instrumenten zu festlichen Tibilustrien ein. Dies waren gewaltige Bläsertreffen, die den Glanz römischer Militärmacht wiedergaben. Auf alten Mosaiken finden wir diese alphornähnlichen Instrumente. Aus heute noch üblichen Sprachverbindungen wie Liti, Horn, Hore, Tiba, Tubau, Touta, Tüta oder Tüba für Alphorn ist zu vermuten, daß die römische Tuba der Ahn des heutigen Alphorns ist.

Das Alphorn als Meldeinstrument

Das Alphorn wurde auch für Wach- und Meldeaufgaben eingesetzt. Der Alphornklang trug weit von Tal zu Tal. Ob nun feindliche Truppen über den Bergpaß kamen, oder jemand Nahrungsmittel-Nachschub benötigte, der Käse fertig zum Abholen war, ob Not am Mann war, oder jemand sein Liebchen grüßte, für alles gab es bestimmte Signale und musikalische Motive.


Selbst Tiere folgen dem Klang

Für den Kuhhirten auf der Alm diente das Alphorn auch als Lockinstrument. Die Tiere folgen dem Klang und kommen. Das kann man auf einer Kuhweide selbst ausprobieren. Die Kühe mögen diesen Klang. In Abbildungen sehen wir den Sennen das Alphorn blasen, während die Sennerin mit Melken beschäftigt ist. Ein Hinweis auf die beruhigende Wirkung des Alphornklanges auch auf Tiere. Auch als Bettelinstrument wurde das Alphorn verwendet. Der deutsche Komponist Michael Praetorius vermerkt im Jahre 1619: "Auch findet man gar lange Trumeten / von Past also fest und dichte zusammen ineinander gewunden / darmit die Schaper aussm Voigt und Schweitzerlande / in den Städten herumbher lauffen / und ihre Nahrung suchen."


Die Täler mit der eigenen Stimmung auffüllen

Wenn dann die letzten Sonnenstrahlen über den Bergkamm grüßen, mag es den einsamen Hirten auf dem Berg angekommen sein und er griff zum Alphorn. So mag es eine Abendmelodie geworden sein, ein Motiv, das tief aus dem Spieler kam. Er vermochte durch sein Spiel auszudrücken, was ihn bewegte. Der weit entfernte Hörer erkannte dann auch gleich, wer da spielte und was der Alphornist damit ausdrücken wollte. Man lauschte dann zum Berg hinauf und wer es konnte, mag selbst zum Alphorn gegriffen haben, um dem Freund in der Ferne seine musikalische Antwort zu geben. So sind eigene, bestimmten Gegenden zuzuordnende Alphornmelodien entstanden, die heute noch geblasen werden.


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